Women in Tech Teil 3

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Women in Tech geht in die nächste Runde.

Wir wollen Vorbilder schaffen, die inspirieren. Es ist uns wichtig, vor allem junge Frauen mit ihren Interessen und Talenten in der IT-Branche zu stärken und in ihrem Karrierestart zu ermutigen. Starke Vorbilder im MINT-Bereich können inspirieren und motivieren und so die Vielfalt des Talent-Pools erhöhen. Auch in einem Karriereaufstieg kann es von Vorteil sein, sich von starken weiblichen Persönlichkeiten in Führungspositionen inspirieren und beflügeln zu lassen. Vorbilder haben einen großen Effekt.
Im Interview erzählt Prof. Dr. Doris Aschenbrenner, CSZ:Professorin für „Digitale Methoden in der Produktion“ an der Hochschule Aalen, über ihre Erfahrungen im Berufsalltag. Sie spricht darüber, was sie besonders für einen Beruf in der IT-Welt motiviert hat, wie sie mit Herausforderungen umgeht aber auch was für Chancen sie als Woman in Tech sieht.

1. Hallo Doris. Bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich.

Ich bin 37 Jahre alt, habe in Würzburg Informatik studiert und später in Robotik promoviert. Im gleichen Jahr, in der ich meine Doktorarbeit eingereicht habe, habe ich mit den anderen zusammen die Awesome Technologies gegründet. Danach bin ich als Postdoc und Tenure Track Assistant Professor an der TU Delft (in den Niederlanden) gegangen und seit 2021 bin ich Professorin für Maschinenbau auf eine ZEISS Stiftungsprofessur an der Hochschule Aalen.

2. Was machst du beruflich?

Ich bin die Verkörperung von Industrie 4.0: Der feindlichen Übernahme des Maschinenbaus durch die Informatik. Die Professur soll sich nämlich mit „Digitalen Methoden in der Produktion“ beschäftigen. Ich habe verschiedene größere Forschungsprojekte aus dem Gebiet „Human in Command“, in dem mein Team und ich uns damit auseinandersetzen, wie der Mensch noch „Chef“ oder „Chefin“ in komplexen Systemen mit Robotern und künstlicher Intelligenz sein kann. Dazu müssen wir nämlich das Gesamtsystem so gestalten, dass es vom Menschen noch verstanden und gesteuert werden kann.

3. Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?

Ich habe mich schon immer unglaublich sehr für Technik und Computer interessiert und war auch immer gut in den Naturwissenschaften. Daher habe ich als Schülerin bei Jugend Forscht mitgemacht und zum Beispiel zusammen mit meinem späteren Mitgründer Manuel Stahl mehrere Iterationen eines Roboters gebaut. Ich glaube, das war die Initialzündung: Ich wollte dann eines der Robotik-Fachgebiete Maschinenbau, Elektrotechnik, Mechatronik oder Informatik studieren und später auch in diesem Bereich arbeiten.

4. Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?

Was mich früher aber ehrlich gesagt immer noch inspiriert, ist die Atmosphäre von Jugend Forscht und später im Chaos Computer Club wenn man mit gleichgesinnten, sehr intelligenten, coolen Leuten darüber redet, wie man Technologie am Besten einsetzen kann. Aber auch die Vorbilder von erfolgreichen Professorinnen wie Prof. Ute Schmid aus Bamberg oder Prof. Catholijn Jonker an der TU Delft haben mich immer wieder bestärkt, diesen (zugegeben nicht immer einfachen) Weg zu gehen.

5. Hat dich Technologie und/oder Programmieren schon immer interessiert?

Angeblich habe ich als Baby schon auf unserem damaligen Amiga herumgehauen und verkündet „Dede Uta eibt“ (Doris schreibt am Computer). Ich habe die große Chance gehabt, zwar in den 80ern aufzuwachsen, aber bereits Computer im täglichen Umgang verfügbar zu haben. Das wurde ermöglicht, weil meine Eltern beide Informatik an der Realschule unterrichtet haben und sich die Geräte gekaut haben. Ehrlich gesagt, war es früher sehr viel schwerer an die Informationen zu kommen, wie die ganzen Sachen funktionieren. Es war auch selten jemand da, der einem zeigen konnte, wie das geht und das Internet war noch am Anfang. Ich finde es so toll, wie viele Möglichkeiten es jetzt gibt, wirklich von Grund auf diese Sachen sich selbstständig mit der Hilfe von Internetquellen zu erarbeiten. Aber die Unterstützung aus dem persönlichen Umfeld ist natürlich auch heute noch sehr wichtig. Den Amiga habe ich übrigens immer noch und er funktioniert noch.

6. Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?

Die Menschen mit denen ich zusammenarbeiten kann und den nach wie vor „großen Traum“ mit Technologie etwas zum Verbessern der Welt beitragen zu können.

7. Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?

Ich glaube wie bei allen Menschen: Wenn er auch mal vorbei ist und ich Feierabend habe 🙂 Ich arbeite aktuell sehr viel, weil sich meine Forschungsgruppe noch im Aufbau befindet. Aber danach kommt sicher wieder der Faktor Mensch: Ich habe wunderbare Kolleg:innen und Miterarbeiter:innen die diesen Kraftakt mit mir zusammen stemmen.

8. Wo findet man dich in deiner Freizeit?

Mit meinen Katzen bei uns daheim. Weiterhin versuche ich aktuell möglichst viel draußen zu sein, zum Beispiel mit meinem Freund Wanderausflüge zu machen. Leider ist die Menge meiner Freizeit stark eingeschränkt, daher kann ich gerade viele Dinge, die ich früher ehrenamtlich gemacht habe, nicht weiter verfolgen.

9. Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?

Es ist nicht einfach. Ich könnte sehr viele wahre Horrorgeschichten erzählen. Aber ich glaube, dass es nur besser wird, wenn wir mehr sind. Dann ändert sich auch die Kultur und man kann mehr erreichen. Einzelkämpferinnen müssen sehr viel Energie in die Überwindung von Hindernissen stecken und das ist leider nach wie vor das Los vieler Frauen in technischen Berufen. Aus Zufall, aber durchaus auch weil ich es sehr cool finde, habe ich gerade fast ausschließlich Frauen in meiner Forschungsgruppe – wir stärken uns gegenseitig und wollen gemeinsam mit den Männern die Sichtweise auf Maschinenbau und Robotik verändern – hin zu einer „mensch-zentrierten Gestaltung“, die für alle Menschen, egal ob sie sich als männlich oder weiblich identifizieren, den maximalen Nutzen der Technologie freischaltet.

10. Welchen Herausforderungen begegnest du persönlich als Frau in deinem Beruf?

Ich bin bei uns die einzige Professorin im allgemeinen Maschinenbau. In den Materialwissenschaften gibt es weitere Frauen, insgesamt sind wir aber sehr stark in der Minderzahl, obwohl die Situation heute schon eine starke Verbesserung gegenüber der Vergangenheit ist. Da merkt man schon, dass bei vielen Prozessen nie jemand dran gedacht hatte, dass es mal weiblich Professorinnen geben kann. Der Anmeldebogen zur Bachelorarbeit hat zum Beispiel ein vorgedrucktes Feld „Herr Professor“ und man kann danach seinen Namen reinschreiben. Es kommen auch seltsame Fragen, beispielsweise hat mich ein Journalist gefragt, was denn jetzt an „weiblicher Robotik“ so anders wäre. In den Niederlanden hätte man die Frage, glaube ich, nie so gestellt, da ist Deutschland schon sehr speziell. Dieses Mindset zeigt sich auch in anderen Bereichen und ist tatsächlich nicht immer automatisch „böse gemeint“, sondern ab und zu schlicht gedankenlos. Das ist nicht immer einfach. Ich hab mich da in der Vergangenheit sehr oft gefragt, ob ich da so richtig hinpasse, weil ich wirklich einfach so anders denke, anders aussehe und natürlich anders kommuniziere. Ich glaube, dieses Gefühl „ständig anders“ zu sein, und nicht wirklich dazuzugehören, ist vielen Frauen in technischen Berufen ein Begriff. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass das auch vor allem in unserem Kopf ist und uns nicht zu sehr davon beeinflussen lassen. Ich habe zum Beispiel sehr häufig das „Imposter-Syndrom“, bei dem ich mich frage, warum ich es eigentlich bis hierher geschafft habe, und ob es nicht vielleicht jemanden auffällt, dass ich gar nicht hineinpasse – ja, immer noch. Obwohl es natürlich Blödsinn ist. Wenn wir davon überzeugt sind, dass wir etwas Wertvolles für den Fachbereich beisteuern können (und dafür auch im Besten Fall Unterstützerinnen und Unterstützer haben), dann können wir uns auch gut entfalten und längerfristig (teilweise nur Schritt für Schritt auf einem langen Weg) das Mindset und den Fachbereich mitgestalten.

11. Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?

Dieses „Ich bin doch so anders“-Gefühl und das oben genannte Imposter-Syndrom mal bewusst ausstellen. Das hat jetzt keinen Platz. Die wollen dich entweder so wie du bist oder halt nicht, dann sind sie aber auch die Falschen für dich. Du brauchst dich nicht verstellen, geh selbstbewusst und im Bewusstsein der eigenen Stärken an die Sache ran, sag klar was du willst und sei dir nicht zu schade, die für dich wichtigen Rahmenbedingungen klar einzufordern. Niemand ist schon der perfekte Match für eine Stelle, man muss sich immer aneinander anpassen. Und wenn du dich beim Bewerbungsgespräch ultra verstellst, nur um dann zu merken, dass das Unternehmen aber gar nicht zu dir passt, ist das doch auch doof. Vielleicht ist ein mittelständisches Umfeld im ländlichen Raum auch einfach nicht der richtige Arbeitgeber für dich. Oder vielleicht ist das gerade das was du jetzt brauchst. Das musst du entscheiden.

12. Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?

Never give up. Alles, was man zum ersten Mal macht, ist hart und man ist logischerweise nicht gleich von Anfang an perfekt. Für andere Themen akzeptieren wir das doch auch, oder? Also akzeptiere es für dich und die Beschäftigung mit dem technischen Gebiet deiner Wahl. Du musst dich schon immer mal wieder durchbeißen, viele Sachen werden nicht von Anfang an einfach klappen und das liegt nicht an dir, sondern geht einfach jedem so, der sich neu mit dem Thema beschäftigt. Akzeptiere das. Freue dich über die Lernerfahrung. Vernetze dich mit Leuten, die dasselbe Problem haben und vor allem auch mit Leuten die dir genau dasselbe sagen wie ich heute: Ja ich hab auch immer mal wieder gekämpft, der Code hat nicht funktioniert, die Gleichung lies sich ums Verrecken nicht auflösen oder ich wusste nicht wie man mit dem doofen Programm umgeht. Das geht mir auch heute noch so. Es gehört zu dem Beruf dazu, immer wieder vor Hürden zu stehen. Anstatt zu verzweifeln, kann ich mich heute daran erinnern, dass ich viele andere Hürden schon geschafft habe. Und eine Freude für die neue Herausforderung verspüren. Und mit weiterer Anstrengung geht es auch in diesem Fall, und ich kann mir diesen ursprünglichen Zauber und die Begeisterung für die Technik in den meisten Fällen bewahren. Wenn ich dann doch mal verzweifelt bin und kurz davor bin, alles hinzuschmeißen, gibt es coole Kolleginnen und Kollegen, die mit der nächsten verrückten Idee um die Ecke kommen. Und dann macht es wieder Spaß.

Vielen lieben Dank für deine Zeit und deine inspirierenden Worte!

 

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